Trauma-Definitionen

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Zusammenfassung:

-Trauma heißt übersetzt Wunde, Verletzung.

-In der Medizin beschreibt der Begriff Trauma, eine Verletzung aufgrund äußerer Gewalteinwirkung, alles vom blauen Fleck bis zur schwersten Verletzung.
-Auf der Ebene des psychischen Traumas wird es künstlich auf heftigste Wunden beschränkt.

-Diese Einschränkung findet sich in unserer Alltagssprache wider und spiegelt den allgemeinen Umgang mit psychischen Problemen.
-In der Fachsprache und -welt werden weitestgehend nur seelische Verletzungen katastrophalöen Ausmasses thematisiert. Dies begründet und spiegelt sich in den großen Diagnosekatalogen (ICD-10 und DSM IV) wider.

-In den beiden Katalogen ist die PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) die einzige Diagnose, die eine psychische Verletzung beschreibt. Sie ist auch die einzige, die zusätzlich zu den Symptomen eine auslösende Situation (Bedingung) beschreibt.
-Diese Einschränkungen beeinträchtigen das allgemeine Verständnis von und den Umgang mit Traumata. Eine erweiterte Beschreibung, insbesondere mit Blick auf die Prozesse, hingegen öffnet den Blick für zugrunde liegende Muster des traumatischen Prozesses.

 

– in der allgemeinen Sprache

Trauma kommt aus dem griechischen und bedeutet Wunde. In unserem Sprachgebrauch wird dabei zwischen den sichtbaren körperlichen und den mehr oder minder unsichtbaren psychischen Verletzungen stark unterschieden. So meint zum Beispiel der Brockhaus dazu: „Trauma 1) Medizin: äußere Gewalteinwirkung, v.a. die hierdurch hervorgerufene Schädigung eines Organismus und ihre Symptome. … 2) Psychologie: psych. oder nervöse Schädigung durch ein plötzlich eintretendes tief gehendes Erlebnis, heftiger Schock, der psych. Veränderung (z.B. Neurose) zur Folge hat…“ Für das psychische Trauma schreibt der Brockhaus weiterhin: „verursacht durch Erlebnisse, die weit außerhalb normaler seelischer Belastungen liegen, z.B. Folterung, Vergewaltigung, Krieg, Konzentrationslager, Geiselnahme,“ usw.(Hervorhebungen durch mich). Im seelischen Bereich gibt es also erst unter bestimmten, schwerwiegenden Bedingungen eine Wunde (Trauma), die als solche bezeichnet, anerkannt und behandelt wird.

Auf der körperlichen Ebene wird jede Gewalteinwirkung als Trauma bezeichnet. Die kleine Schnittwunde bei der Küchenarbeit, der blaue Fleck vom unachtsamen gegen den Tisch dengeln fällt dabei in die gleiche Kategorie wie schwerste Verletzungen, die bis zum Tod führen können. Sie werden natürlich je nach Schwere unterschiedlich behandelt, doch auch kleinere Verletzungen werden beachtet und angemessen versorgt. Die besagte Schnittwunde wird meist zumindest desinfiziert und mit einem Pflaster versehen. Wir wissen, dass auch kleinste Schnitte oft Narben hinterlassen, die ein Leben lang zu sehen sind. Bei etwas größeren Verletzungen, wie einer Zerrung wird häufig schon ein Arzt aufgesucht. Bei einem Knochenbruch gibt es nach der körperlichen Genesung meist noch weiterführenden Maßnahmen wie z.B. Krankengymnastik. Denn werden diese Wunden nicht angemessen versorgt, kann es zu erschwerten Folgewirkungen kommen. So endete in Zeiten, wo das menschliche Können und Wissen noch nicht den heutigen Stand erreicht hatte, manch kleine Verletzung mit einer Amputation oder gar dem Tod. Auch mit der professionellen Behandlung heutzutage hinterlassen diese Verletzungen trotzdem häufig genug bleibende Beeinträchtigungen, wie eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten, Wetterfühligkeit und andere kleinere oder größere Behinderungen.

Im seelischen Bereich hingegen braucht es anscheinend schon wesentlich mehr, als einen kleinen Schnitt. Nur die schwersten Misshandlungen und Erlebnisse fallen in den Begriff und die Idee eines Traumas. Kleinere bis mittlere seelische Wunden finden in der allgemeinen Sprache meist keinen angemessenen Ausdruck. Sie scheinen nicht richtig existent oder zumindest nicht erwähnenswert. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich mehr oder minder von selbst erledigen und keine Folgen haben. Doch bei den psychischen Wunden ist es im Grunde nicht anders, als bei den körperlichen. Schon kleine seelischen Verletzungen brauchen zur guten Verheilung eine ihnen gemäße Beachtung und Versorgung, und sie hinterlassen auch entsprechende Narben, die allerdings häufig nicht so offensichtlich zu erkennen sind.

Bei einem, wie oben geschilderten, Knochenbruch ist der Schaden sichtbar und niemand käme auf die Idee, dass der Verletzte nach wenigen Tagen wieder weitermachen kann wie zuvor. Selbstverständlich würde ihm eine Zeit der körperlichen Heilung, der Schonung und einer nur eingeschränkten Alltagstauglichkeit eingeräumt. Eine ähnlich schwere Verletzung im psychischen Bereich sorgt meist für ganz andere Reaktionen. Das soziale Umfeld, aber auch der Geschädigte selbst tun gerne so, als ob nichts geschehen wäre. „Hab dich nicht so“, „es ist doch schon alles vorbei“, „nun muss aber wieder das normale Leben weitergehen“ oder „das ist doch kein Beinbruch“ sind wohl recht typische Aussagen nach Erlebnissen, die seelisch getroffen haben. Auch bei schweren Verletzu

ngen wird zwischen körperlichen und psychischen deutliche Unterschiede gemacht. Bei einem schweren körperlichen Trauma, wie z.B. dem Verlust einer Gliedmaße, würde niemand auf die Idee kommen, dass dieser Schaden und die damit einhergehende Behinderung gänzlich repariert werden kann. Niemand käme auf die Idee, dass ein Bein nachwächst. Alle Bemühungen und Erwartungen sind dann wohl eher von der Hoffnung geprägt, dass der Betroffene sich weitestgehend mit dem Mangel arrangieren und irgendwann möglichst normal und zufrieden wieder am sozialen Leben teilnehmen kann. Bei einer seelischen Verletzung hingegen wird immer wieder davon ausgegangen, dass diese irgendwann einfach nicht mehr da ist oder sich zumindest nicht mehr auswirkt. Seelische Verletzungen werden daher häufig als schwächer wahrgenommen, wie sie tatsächlich sind. Es wird auch wenig gesehen, dass schwere oder viele kleinere psychische Wunden letztendlich genauso zum Tod führen können und es auch immer wieder tun, wie entsprechende körperliche. Diese beschriebenen Unterschiede bilden sowohl den Grund für unseren allgemeinen gedanklichen und handelnden Umgang mit unseren seelischen Verletzungen, als auch den Ausdruck darüber.

-in der Fachsprache

In der speziellen, professionellen Fachsprache finden sich die Einschränkungen der Sicht auf psychische Wunden ebenso. Eine typische Formulierung ist dort: „Eine Traumatisierung ist eine normale Reaktion auf ein nicht normales Ereignis“. Auch hier kein Blick auf die Auswirkungen von kleineren und mittleren Wunden, oder auch auf deren möglicherweise gehäuftes Auftreten. In der medizinisch-psychologischen Fachwelt bilden die beiden großen diagnostischen Manuale, der ICD-10 (internationale Klassifikation der Krankheiten der WHO) und der DSM-IV als US-amerikanischen Pendant, eine Basis der Sicht und des Verständnisses von seelischen Verletzungen. Der ICD-10 ist der Katalog der Krankheiten, nach denen der Hausarzt in kryptischer Verschlüsselung in Kombinationen von Buchstaben und Zahlen seine Diagnose auf der Krankschreibung hinterlässt und mit den Krankenkassen abrechnet. Nach diesem ist ein psychisches Trauma: „… ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes (kurz oder lang anhaltend), die bei fast jedem eine tief greifende Verzweiflung hervorrufen würde“. Im DSM-IV heißt es: „Die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer

Personen beinhalteten. Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.

Zusätzlich zur Beschränkung auf nur heftigste seelischen Verletzungen, stecken in diesen Beschreibungen auch noch diverse Unklarheiten.
· Was eine „außergewöhnliche Bedrohung“ sein soll, hängt maßgeblich von den aktuellen Gegebenheiten ab und liegt im Auge des Betrachters. Gewalt und Tod sind in Kriegsgebieten nicht außergewöhnlich, bleiben trotzdem höchst traumatisierend. Genauso wenig außergewöhnlich sind heutzutage Trennung und Scheidung von Elternpaaren, und für viele Kinder, insbesondere jüngere, eine heftige Erschütterung ihrer Welt und seelisch oft sehr verletzend.
· Ab wann „eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen erlebt wird, hängt eindeutig von persönlichen Bewertungen und Verarbeitungsmöglichkeiten ab.
· Die traumatische Situation hat bei dem Betroffenen eine tiefe Verzweiflung hervorgerufen, aber ob diese „bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ ist wohl kaum zu überprüfen und für ihn auch nicht relevant.
· Dass die „Reaktion der Person intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfasste“, lässt sich im Nachhinein schwer feststellen. Der seelisch Verletzte kann dies verdrängen oder in einem traumatischen Gedächtnisverlust vergessen. Vielleicht kann oder will er sich oder anderen auch nicht seine Gefühle eingestehen.
>Die Unterschiedlichkeit von Menschen in ihrem Handeln und Erleben und dem individuellen Empfinden von Leid werden in diesem Versuch der Objektivierung nicht berücksichtigt.

In der ICD-10 wird der Begriff des Traumas nur für extreme Situationen und Verletzungen genutzt. Die Beschreibungen sind dementsprechend mit Superlativen gespickt. Es gibt keine kleinen Katastrophen, nicht ein wenig Verzweiflung, geschweige denn ein bisschen tief greifende Verzweiflung. Mit ein paar Übersetzungen können die Ausführungen jedoch auch für weniger schwere psychische Wunden genutzt werden. Im Synonymwörterbuch des Duden findet sich zur Katastrophe unter anderem die Begriffe des Unheils und des Elends, zur Verzweiflung die Bedrängnis. Die Superlative ersetzt, ergibt sich daraus folgende Beschreibung: Es gab ein Unheil, ein Elend, das beim Betroffenen eine Bedrängnis auslöste. Ist die das Unheil, das Elend und die Bedrängnis extrem genug, entspricht es immer noch den im ICD-10 gemeinten Ereignissen und Auswirkungen. Diese Darstellung beinhaltet jedoch auch die kleinen psychischen Wunden, ist auf sie anwendbar und kann so zum Verständnis der Prozesse um die seelischen Verletzungen nützlich werden.

Ich will nicht verschweigen, dass der Abschnitt des ICD-10 (F43), in dem das psychische Trauma beschrieben wird auch noch Belastungen thematisiert werden. Belastungen sind jedoch eigentlich immer nur aktuell und hinterlassen keine bleibenden Veränderungen und/oder Probleme. Der Begriff stammt aus der Physik und suggeriert damit, dass eine Last da ist oder halt auch nicht, und dass mit dem Verschwinden der Belastung die Auswirkungen (Symptome) sich ebenso verabschieden. Das ist allerdings bei den psychischen Wunden nicht unbedingt gegeben. Welche Bedingungen es erschweren oder

begünstigen werde ich später noch erläutern. Erstmal möchte ich jedoch noch bei den Darstellungen aus der ICD-10 bleiben. Sie beschreiben zwar, wie schon gesagt, die Extreme, doch an solchen lässt sich meist vieles deutlicher erkennen als an weniger auffälligen Erscheinungen.

Posttraumatische Belastungsstörung

Also noch mal zurück zur ICD-10: Nur in einer einzigen Diagnose, der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), gibt es den Bezug zu einem psychischen Trauma, zu einer Verletzung der Seele. Sie ist eine der ganz wenigen Diagnosen überhaupt, die einen Bezug zwischen psychischen Symptomen und Ereignissen in der persönlichen Lebebnensgeschichte herstellen. Nur bei diesen werden äußere Faktoren als Auslöser gesehen und den Symptomen eine Vorgeschichte eingeräumt.

Die diagnostischen Kriterien der PTBS, also das, was ein Betroffener entwickeln muss damit er als seelisch verletzt anerkannt wird, lauten im Einzelnen:
A. Die Betroffenen waren einem kurz oder lang anhaltenden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das bei nahezu jedem tief greifende Verzweiflung auslösen würde.
B. Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen, lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen.
C. Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen. werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis.
D. Entweder 1. oder 2.
1. Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern.
2. Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der Belastung) mit zwei der folgenden Merkmale:
a. Ein- und Durchschlafstörungen,
b. Reizbarkeit oder Wutausbrüche,
c. Konzentrationsschwierigkeiten,
d. Hypervigilanz,
e. erhöhte Schreckhaftigkeit.
E. Die Kriterien B., C. und D. treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende einer Belastungsperiode auf

. (Aus bestimmten Gründen, z.B. wissenschaftliche Untersuchungen, kann ein späterer Beginn berücksichtigt werden, dies sollte aber gesondert angegeben werden.)

An dieser Stelle möchte ich meine Übersetzungsarbeit etwas fortführen und die Extreme zugunsten einer offeneren und weiter reichenden Sprache ersetzen. Auf Punkt A bin ich schon eingegangen. In den Punkten B bis D geht es nach meiner Übersetzung um ein Ereignis,
· das in bestimmten Situationen, die der ursprünglichen belastenden ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, zu unangenehmen Erinnerungen führt.
· dessen zusammenhängende Umstände (möglichst) vermieden werden.
· das entweder nicht bewusst ist oder so präsent ,dass es hinderlich ist, oder einen sogar bis in den Schlaf verfolgt.

Wer kennt dies nicht, also ganz alltägliche Geschichten, die aber im und am „normalen“ Weiterleben bremsend und hinderlich sind. Und damit möchte ich keinesfalls die Dramatik und Schwere von heftigen Traumata klein machen, das damit verbundene Leid relativieren oder negieren, sondern nur die Möglichkeit schaffen, Strukturen dieses Konzepts auf seelische Verletzungen im Allgemeinen erweitern.

Im letzten Punkt der diagnostischen Beschreibung einer PTBS wird ein letztendlich willkürlicher Zeitrahmen gesetzt. Sie ist nur gegeben, wenn die Symptome innerhalb in dieser Zeit auftreten, beziehungsweise nicht aufgelöst werden. Im Versuch die Geschehnisse vergleichbar zu machen, braucht

man eine Zustandsbeschreibung zu einer bestimmten Zeit. Ereignisse und Symptome, die nicht in dieses Zeitfenster passen, finden keine Beachtung oder fallen nicht in das Konzept des Traumas.

Aus einer prozessualen Sicht betrachtet, passieren Dinge in bestimmten Kontexten, sie entwickeln sich kontinuierlich von einem Zustand zum nächsten und darüber hinaus; in einer bestimmten Reihenfolge aber nicht in einer festgelegten Zeit. Aufgrund individuell unterschiedlicher Vorgeschichten und den sehr komplexen Bedingungen sind die Auswirkungen einer traumatischen Entwicklung in ihrer Art, ihrer Stärke und ihres zeitlichen Erscheinens unendlich vielfältig. Der zugrunde liegende Prozess ist jedoch immer der gleiche, er ist beschreibbar und verständlich. Die schweren Traumatisierungen des ICD-10 sind dafür insofern nützlich, dass sich in diesen Extremen die zugrunde liegenden Muster oft leichter erkennen lassen.

PSYCHE

Obwohl es im Bereich „F“ des ICD-10 um psychische Störungen geht, ist nirgends definiert, was als Psyche gesehen wird. Der Brockhaus sagt dazu: „ [griech. >Hauch<, >Atem<; >Lebenskraft<, >Seele< …in der Psychologie Bezeichnung für die Gesamtheit aller bewussten und unbewussten Erlebens- und Verhaltensweisen. Oftmals wird der Begriff Psyche als Bezeichnung für die Seele im weitesten Sinn im Gegensatz zum materiellen Körper (Soma) …“.Gemeint ist also die Gesamtheit des menschlichen Daseins auf der inneren Ebene. Der Körper, die Gefühle und unsere gedankliche Welt der Ideen und Konzepte und unser Bewusstsein sind Bestandteile der Psyche und wirken wiederum auf diese ein.

Die psychische Verletzung kann dementsprechend ihren Auslöser auf jeder menschlichen Ebene finden. Eine körperliche Wunde kann, ebenso wie eine emotionale oder auch geistige Verletzung Grundlage für den traumatischen Prozess sein.

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